Kurdische Version


 Blutfehden zwischen den Êzîden

 

 Seit Tausenden von Jahren werden die Êzîden verfolgt, vertrieben und massakriert. Ihre Reichtümer und Vieh wurden stets gänzlich geraubt. Ihre unverheiratete Mädchen und junge Frauen wurden mit Gewalt entführt, um sie gewaltsam zu verehelichen oder sie auf den Sklavenbasaren der Türken, Araber und Perser wie Vieh zu verkaufen. Sie landeten dann in den Harems von reichen Muslimen.

 Die älteren Êzîden berichten heute noch von 72 Genoziden, die man gegen sie geführt hat.

Wie viele Menschen ihr Leben dabei lassen mussten, kann niemand mehr sagen. Ganz sicher waren es Millionen von Menschen, die auf die grausamste Art, die den Menschen bekannt war, massakriert wurden.  

Manche europäische Orientreisende, wie Austin Henry Layard und General Helmut von Moltke u. a., die in ihren Reiseberichten über solche Massaker berichtet haben, ist es zu verdanken, dass man heute eine verschwommene Vorstellung von den Ereignissen im 19. Jahrhundert gewinnt, wenn man ihre Berichte mit Hintergründen ganz genau studiert und analysiert.  

Tausende Mädchen und junge Frauen wurden ihrer Familie entrissen und zwangsislamisiert. Noch heute rufen ihre Kinder und Enkelkinder ihre noch yezidischen Verwandten mit „Xalo“ und „Xaltike“ (Onkel und Tante, mütterlicher Seite).

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Êzîden hauptsächlich wegen ihrer Religion verfolgt. Sie müssten sich nur vor einem Henkersschwert schützen. Ab dem 20. Jahrhundert mit der Teilung Kurdistans waren es zwei Schwerter, die auf ihre Herzen bzw. auf ihren Hals gerichtet waren. Eines weil sie Êzîden waren und von allen Moslems (auch kurdischen Moslem und ihren Agas - Großgrundbesitzer -, die von islamischen Predigern aufgehetzt würden)  gehasst waren, und auf der anderen Seite von den Regierungen unter denen sie lebten, weil sie Kurden waren - und Kurden haben bekanntlich nirgends Freunde. 

Sie haben diesen enormen Druck nicht mehr ausgehalten. Deshalb ist ein Exodus unter ihnen ausgebrochen. Sie haben ihre Heimat verlassen in der Hoffnung irgendwo auf dieser Erde einen Ort zu finden, an dem sie nicht mehr verfolgt und massakriert werden. Wo sie ihrer Religion und Kultur ungestört nachgehen dürfen und können. Ab den 60er Jahren immigrierten sie nach Westeuropa und ihr Ziel war hauptsächlich nach Deutschland zu gelangen. Sie hofften sich hier besonders sicher und geborgen vor Verfolgungen und Genoziden. Aus alle Länder, in denen Êzîden früher gelebt haben (Türkei, Irak, Syrien und ehemalige Sowjet Republik), brach ein Exodus der Êzîden Richtung Westeuropa aus.

Trotzt vieler Hindernisse wurden sie als Flüchtlinge anerkannt, vor allem diejenigen unter ihnen, die aus der Türkei, dem Irak und der Syrien stammten.

Nun zum ersten Mal in der Geschichte der Êzîden haben sie ungehindert Kontakt zu-einander und leben oft in der Nachbarschaft. Das ermöglicht ihre Kindern leichter einen Lebenspartner zu finden. Ihre Kinder können jeden Beruf erlernen, jede Schule, Universität  ungehindert besuchen. Sie können mit jedem über ihren Religion sprechen ohne Angst belästigt zu werden und, was auch wichtig ist, ihre Religion offen ausüben. Das ist einmalig in der Geschichte der Êzîden. Man könnte angesichts dieser Tatsachen sagen, dass sie für ihr Leiden von der Hölle der Sklaverei ins Paradies geführt worden sind.

Aber leider der Schein trügt.

Sie müssen oft mit ansehen, wie ihre Kinder der Religion den Rücken kehren.

Viele junge Frauen flüchten aus Verzweiflung mit ihren Kindern in Heime, weil sie die Unterdrückung ihrer Männer nicht mehr aushalten.

Und am schlimmsten sind die Blutfehden und die Feindseligkeiten unter einander.

Die Feindseligkeiten nehmen immer mehr zu und immer mehr junge Männer fallen diesen sinnlosen und verächtlichen Schandtaten zum Opfer. Die Blutfehden werden von den Älteren immer weiter geschürt, ohne dass diese ein Gespür dafür zu besitzen, dass sie die Zukunft eigener Kinder und Enkelkinder bis hin zu Ur- Urenkeln zerstören, und dass sie auf dem direkten Weg ins Verderben geschickt werden, wenn sie nicht vorher getötet werden.

Die Kinder brauchen ein Leben in Frieden und eine Bildung, um sich entwickeln zu können brauchen sie eine Gesellschaft in der sie sich wohl fühlen. Die Kinder brauchen eine Identität und diese Identität können die Êzîden nur unter Êzîden finden. Eine Identität kann nicht entwickelt werden, wenn die Angehörige einer Religion bzw. Gesellschaft zu einander in Blutfehden stehen.

Die Blutfehden sind auch ein großes Hindernis auf der Suche nach einen Lebenspartner bzw. Partnerin. Die Kinder von Feinden können unmöglich einander heiraten.

Das und die immer höher steigende Brautpreise für eine Frau sind die Hauptgründe dafür, dass immer mehr junge Êzîden in der Diaspora unter Nicht-Êzîden ihre zukünftigen Lebenspartner suchen. Das führt sie auf geradem Weg in den Untergang. 

Mein Appell ist deshalb hauptsächlich an den Jugendlichen gerichtet.  

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass das nicht ein Aufruf an die Jugendlichen ist, generell gegen ihre Eltern zu rebellieren und alles abzulehnen, was sie euch sagen, sondern nur die negative Dinge abzulehnen. Lasst Euch nicht in alte seit Jahrzehnten bestehende Konflikten einbeziehen. z. B., was geht es Euch an, wenn eure Eltern vor 20 Jahren Streit mit ihren Nachbarn hatten und sie deshalb einander nicht mögen?

Ihr seid möglicherweise die Eltern von Morgen und die Probleme, die ihr von euren Eltern erbt und nicht bewältigt, werden euch und eure Kinder belasten.

Last euch von den Älteren nicht verderben!

Es ist euere Zukunft. Nehmt die Fäden selber in die Hand und lenkt eure Zukunft selber!

Nehmt die Stifte und Hefte anstelle von Waffen in die Hand! Damit werdet ihr mehr erreichen können und mehr Ehre erringen. 

Nur der ist ehrenhaft, der von einem erlernten Beruf seinen Lebensunterhalt bestreitet.

Ihr sollt wissen, dass Töten keine êzidische Tradition ist. Laut der êzidischen Lehre ist nur Gott berechtigt ein Leben zu nehmen, weil er das Leben gibt.

Es ist eine große Sünde in den Augen von Êzîden, wenn ein Mensch einen anderen Menschen tötet. Natürlich aus der Sicht der Religion gesehen.

Wir wissen, dass unsere religiösen Werte zum größten Teil unbekannt sind, und es ist mühsam sie zu erlernen.

Deshalb widmet euere freie Zeit der Religion und findet die Wahrheit über eure Religion, damit auch eure Kinder danach leben können! 

Nur Ihr könnt dazu beitragen, dass diese wunderbare Religion in ihre Gesamtheit erhalten bleibt und damit alle Märtyrer der oben erwähnten 72 Genozide nicht umsonst ihr Leben gelassen haben. Sie dürfen nicht vergessen werden, weil es eure Vergangenheit ist.  Weil die Geschändeten eure Verwandte waren. 

Ich könnte unendlich weiterfahren, aber ich hoffe damit meine Botschaft an Euch vermittelt zu haben. 

 

 

Ferhun Kurt


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    © Niviskar:  Ferhun Kurt 

 

 

Die chronologische Geschichte einer leiderprobten, kleinen Religionsgemeinschaft

 

 

 


Einfuehrung des Autors


Einleitung


Kapitel Eins


Kapitel Zwei


Kapitel Drei


Kapitel Vier


Anhang