Kapitel Eins


 

 

Die Verlobung


Nachdem beide Seiten, die Eltern und die Kinder ihr Jawort gegeben haben, wird die Verlobung gefeiert. Die Eltern suchen aus ihren Bekanten- und Verwandtenkreis mehrere Verlobungszeugen, die zu der Verlobungsfeier eingeladen werden. Am Abend versammeln sich die Eltern von dem Bräutigam und die mitgebrachten Zeugen mit Verwandten von beiden Seiten bei den Eltern der Braut. Sie bitten die Eltern von dem Mädchen um ihre Hand. Um spätere Streitereien zu vermeiden, überzeugen sich zunächst die Zeugen davon, ob alle mit der Verlobung einverstanden sind. Sie fragen erst die beiden Kinder danach, ob sie einander aus freiem Willen gewählt haben oder jemand sie zur ihren Zustimmung gezwungen habe. Wenn beide überzeugen können, dass sie nicht gezwungen worden sind, dann werden sie über die Bedeutung einer Ehe und die Verpflichtungen danach aufgeklärt. Ein Zeuge oder mehrere Zeugen fragen, unter dem Ausschluss der Eltern beide, ob sie sich sicher sind, dass sie mit einander verlobt sein und danach heiraten wollen. Wenn beide die Frage bejahen, sagen die Zeugen hernach beiden, dass die Ehe nicht ein Modekleid ist, das man einmal anzieht und es dann wegwirft, weil es einem nicht mehr gefällt, sondern dass die Ehe eine Bindung fürs ganze Leben ist.

Wenn beide die Versicherung abgeben, dass sie über die Bedeutung und Aufgaben einer Ehe aufgeklärt sind, dann werden sie mit ihrer Entscheidung alleine gelassen und die Aufklärer verabschieden sich von ihnen mit den Worten:»Xêr û gûnehê we di stûyê we denê.«

Übersetzung: „Nur Ihr ganz alleine seid für all eure Sünden und Wohltaten verantwortlich.“

Das ist der Standartspruch. Was es soviel heißt: Ihr habt aus freiem Willen entschieden, uns die Aufgabe zu übertragen, damit wir  eure Verlobung zur Ende führen.

Die Eltern werden gefragt ob auch sie und die anderen nahen Verwandten keine Einwände gegen die Verlobung haben. Auch diese müssen versichern, dass sie damit einverstanden sind.

 Eine Verlobung kann unter Umständen auch gegen den Willen der Eltern stattfinden, wenn die Kinder unbedingt darauf bestehen. Nachdem alles geklärt ist, wird mit den Verhandlungen über die Bedingungen begonnen, die die Eltern der Braut stellen werden.

Als Erstes muss die Braut ihre Brautgeschenke benennen, die sie am Hochzeitstag tragen wird und auch danach behallten darf. Die Geschenke sind üblicherweise aus Gold: Ketten, Ringe Armreifen, Uhren, Collier usw.. Wenn man sich mit der Braut über ihre Geschenke geeinigt hat, dann kommt ihre Mutter an die Reihe. Auch sie hat das Recht für ihre Geschwister (Onkel und Tanten der Braut) Geschenke zu verlangen. Das ist meistens ein geringer Geldbetrag.

Zum Abschluss wird der Vater des Mädchens den Betrag des Next verhandeln. Er nennt üblicherweise erst eine Summe, die sehr sehr hoch ist. Es ist dann Aufgabe der eingeladenen Zeugen und Gäste, diese Summe zu drücken. Das kann manchmal wie auf dem orientalischen Basar zu gehen. Man feilscht um den Preis bis die Eltern des Bräutigams bereit sind die Summe zu bezahlen. Wenn der Brautvater auf die hohe Summe beharrt und nicht mit sich verhandeln lässt, dann kann die Verhandlung abgebrochen werden und unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden. Wenn die Verhandlung abgerochen wird, ist auch die Verlobung gescheitert. Hat man sich über die Summe für die Brauteltern geeinigt, dann wird dies mit Freudenrufen und gegenseitigen Küssen verkündet. Gleichzeitig werden symbolisch Süßigkeiten unter den Gästen verteilt. Und es wird getanzt und gefeiert. Wenn es sich um einen Tochtertausch handelt, dann ist die Sache sehr einfach. Da wird über den Preis nicht gehandelt, sondern gleich gefeiert.

Tochtertausch ist bei Êzîden und anderen Kurden eine gängige Methode, um die Kinder zu verheiraten. Ein Grund dafür ist sicherlich um dadurch hohe Summen für die Braut zu umgehen. Das heißt im Klartext, jemand, der eine Schwester im heiratsfähigen Alter hat möchte die Schwester von einem anderen heiraten, dann kann der ebenfalls verlangen dessen Schwester heiraten zu dürfen, die muss natürlich ebenfalls damit einverstanden sein.

Alle Unkosten für die Geschenke und das Next tragen einzig und alleine die Eltern des Bräutigams. Die Gäste und Verwandten geben der Braut ein Geschenk, das dürfen Geldsummen oder auch Goldschmuck sein. Das Geld und das Schmuck, das ihr an der Verlobungsnacht geschenkt wird gehört ihr alleine, sie darf diese Geschenke behalten. Der Bräutigam muss als Zeichen seiner Liebe, seiner zukünftige Frau ein Geschenk überreichen, das meistens ein Goldring oder etwas anderes aus Gold ist.

Früher galt es in den Dörfern als Unsite, wenn die Verlobten vor der Hochzeit miteinander gesprochen haben. Sie haben sich voneinander ferngehalten und auch bis zum Hochzeitstag kein Wort miteinander gesprochen. Das ist mittlerweile aufgehoben.

 

 
 

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© Niviskar:  Ferhun Kurt 

 

Die chronologische Geschichte einer leiderprobten, kleinen Religionsgemeinschaft

 

 

 


Einfuehrung des Autors


Einleitung


Kapitel Eins


Kapitel Zwei


Kapitel Drei


Kapitel Vier


Anhang